Meinungsmontag von Marvin Ködding

Bildung à la Bolognese

Wie kam es eigentlich zum Bologna-Prozess? Das war wahrscheinlich so: Die Bildungsminister aus Deutschland, England, Frankreich und Italien haben sich in Bologna (Stadt in Norditalien, auch la grassa „die Fette“ genannt) getroffen. Was macht man wohl in einer Stadt, die „die Fette“ genannt wird? Natürlich essen. Nach einem guten Mittagessen und ein paar Grappa schauen die Minister auf ihre Uhren und sehen „Ach, erst halb 2, unser Flieger geht erst um 7. Was machen wir jetzt?“ Und ein anderer muss geantwortet haben: „Ja, lasst uns doch mal das europäische Hochschulwesen homogenisieren.“ (Frei nach Prof. Harald Lesch). Genau so fühlt es sich auch für viele Studenten an.

1998 haben sich die Bildungsminister darauf geeinigt, die Studienstruktur in zwei, später drei, Zyklen aufzuteilen. Eine erste, die dafür ausgelegt war, relativ schnell einen Abschluss zu haben, mit dem man dem Arbeitsmarkt bereitsteht. Und ein zweiter Zyklus, der mit dem Master bzw. der Promotion abschließt. Der erste Abschluss war wahrscheinlich hier die Hauptmotivation, denn man wollte „bildungsferne Schichten“ dazu motivieren, ein Studium zu beginnen. Nur leider war das eine schlechte Motivation, finde ich. Was hat sich daraus entwickelt? Nun, wir haben heute einen Studienabschluss, der in vielen Fällen keine Relevanz hat, da man ohne einen Master oder eine Promotion keine Stelle mehr bekommt. Wir haben eine Studienstruktur, die eine Zulassung zum Master an die Abschlussnote im Bachelor knüpft und damit vielen auch eine Chance zur Weiterbildung verwehrt. Auf der anderen Seite sprechen die Zahlen auch für sich. Mit der Einführung des Bachelorabschlusses hat sich die Anzahl der Studenten aus Arbeiterfamilien von 12% im Jahr 2000 auf 18% im Jahr 2003 erhöht. Genauso in Angestelltenfamilien. Hier von 39% auf 44% im gleichen Zeitabschnitt. Nur bei den Beamten ist die Zahl von 72% auf 64% zurückgegangen.

Aber lohnen sich die Nachteile? Vielleicht gibt es so viele Vorteile, dass die eben genannten Punkte irrelevant scheinen. Wir, die Studenten, haben den Vorteil, dass sich die Prüfungslast auf das ganze Studium streckt, die Organisation verbessert wurde und ein Masterprogramm ein hohes Niveau hat. Dennoch haben wir dadurch einen sehr hohen Leistungsdruck durch viele Prüfungen während des Studiums, einen Bachelorabschluss, der kein hohes Ansehen auf dem Arbeitsmarkt hat, Bildung, die nur noch zur Ware wird, ein auf Effizienz und einen schnellen Abschluss getrimmten Studiums.

Was möchte ich abschließend dazu sagen? Ich finde, dass Deutschland mit dem Abschaffen des Diploms einen großen Fehler begangen hat, aber ich verstehe auch, dass man die Universitätsabschlüsse aus anderen europäischen Staaten anerkennen wollte, aber ein Register, welcher ausländische Abschluss welchem deutschen Abschluss entspricht, hätte möglicherweise sogar gereicht. Leider haben viele Universitäten voreilig die Umstellung zum Bachelor/Mastersystem durchgeführt, möglicherweise in der Hoffnung durch eine schnelle Umsetzung finanzielle Unterstützung durch die Länder zu erhalten.

Anmerkung: Meinungsmontage spiegeln nicht zwingend die Verbandsmeinung wider.