Meinungsmontag von Dennis Ruhwedel

Chancengerechtigkeit?

Wir leben in einer Gesellschaft, in welcher Ressourcen, Güter und Positionen limitiert sind und deren Verteilung ergo nicht gleichmäßig. Allerdings ist dieses Verteilungsgefälle mit dem Prinzip der Leistung zu begründen, denn wer sich durch Fähigkeiten und Anstrengung abhebt hat sich schließlich aufgrund seiner erbrachten Leitung auch mehr verdient. Nun zu einem großen Problem, denn was ist, wenn schon in der ersten Phase der „Qualifikation“ eine enorme Ungerechtigkeit zwischen unterschiedlichen Herkünften den weiteren Lebensweg maßgeblich beeinflusst und die Leistungsgerechtigkeit im Sinne der Leistungsfähigkeit verzehrt wird. Genau das ist nämlich die traurige Realität. Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung kam im Bildungstrichter 2016 zu dem Ergebnis, dass von 100 nicht Akademiker Kindern gerade einmal 27 ein Studium beginnen, bei den Kindern von Akademiker*innen sind es hingegen 79, das ist fast das Dreifache. Und nicht nur akademischer Grad der Eltern, sondern auch zahlreiche weiterer Faktoren verzehren die Leistungsgerechtigkeit enorm. Dazu ist anzumerken, dass die gleiche Studie ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass der Effekt der Chancenverzerrung aufgrund unterschiedlicher sozialer Situationen des Elternhauses durch einen Migrationshintergrund noch weiter verstärkt wird.

Die Chancen im deutschen Bildungssystem lassen sich bedauerlicherweise nicht mehr nur auf die individuellen Fähigkeiten und Leistungen übertragen, sondern sind stark beeinflusst durch Faktoren, welche kein Kind selbst beeinflussen kann, daraus resultiert eine eingeschränkte Souveränität über den individuellen Lebensweg, welche die Prämisse „jeder ist seines Glückes Schmied“ stark in Frage stellt. Eine Tatsache, die nicht hinzunehmen ist, schließlich bildet ein gerechtes, modernes und elternunabhängiges Bildungssystem das Fundament für das Aufstiegsversprechen, für Chancengerechtigkeit und vor allem für Selbstbestimmung.

Die neue Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger, welche außerdem Landesvorsitzende der FDP Hessen ist, bringt es auf den Punkt „Wo junge Menschen herkommen, das können sie sich nicht aussuchen – aber wo sie hingehen, das sollen sie künftig selbst bestimmen können!” Um der Benachteiligung im Bildungswesen entgegenzusetzten wurde unter anderem auch das Startchancenprogram im Koalitionsvertrag verankert, dieses sieht vor 4000 deutsche Schulen (jede zehnte allgemeinbildende Schule) mit besonders vielen sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern mit einem großen, frei nutzbaren zusätzlichen Budget zu unterstützen. Außerdem soll dem negativen Trend der Bafög-Empfänger entgegengewirkt werden, es wird das Ziel verfolgt „das Bafög attraktiver, moderner, flexibler und elternunabhängig zu machen“, denn vor allem erhebliche bürokratische Hürden stehen jungen Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung im Weg. Die neue Ampel Koalition mit einer liberalen Bildungsministerin ist dabei die richtigen Schritte in Richtung Leistungs- und Chancengerechtigkeit zu machen.

Anmerkung: Meinungsmontage spiegeln nicht zwingend die Verbandsmeinung wider.